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Hinweise zu den (Pro-)Seminaren im Sommersemester 2024

Prof. Hillgruber wird im Sommersemester 2024 zwei (Pro-)Seminare abhalten. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte unten. Beide Vorbesprechungen finden am 11.01.2024 in der Bibliothek des Instituts für Kirchenrecht statt.

Deutsch-polnisches Seminar zum Wehrverfassungsrecht und internationalem Sicherheitsrecht

Tagungsbericht zum deutsch-polnischen Seminar zum Wehrverfassungsrecht unter Einbeziehung von Europa- und Völkerrecht in Bonn am 19./20.05.23

66 Jahre nach Inkrafttreten der Wehrverfassung und 25 Jahre nach Inkrafttreten der polnischen Verfassung fanden sich am Freitagmorgen zwölf Studierende aus Warschau unter der Betreuung von Prof. Adam Szafranski sowie neun deutsche Studierende – betreut durch Prof. Christian Hillgruber– im Bonner Juridicum zusammen, um über die verfassungsrechtliche Rolle der nationalen Streitkräfte und europa- und völkerrechtliche Kernfragen des Sicherheitsrechts auf Englisch, Deutsch und Polnisch zu diskutieren.

Am ersten Seminartag standen dabei die Regelungen der jeweiligen Staatsverfassungen im Mittelpunkt. Deren Vergleich zeigte unter anderem auf, dass die deutsche Sicherheitsverfassung im weiteren Sinne das in der Präambel des Grundgesetzes ausgeformte Staatsziel der Friedensicherung durch die Art. 24, 25 und 26 GG absichert und die Verteidigung als Kernaufgabe der Streitkräfte in Art. 87 a GG definiert, während sich die polnische Verfassungslage durch die Betonung der Souveränität und territorialen Integrität in der Präambel und Art. 5 auszeichnet und deren Sicherung als Funktion der Streitkräfte in Art. 26 I fortschreibt. Hierin spiegeln sich die unterschiedlichen historischen Erfahrungen und Hintergründe der jeweiligen Verfassungsgebung. Auch zeigten sich Differenzen bezüglich der Regelungsdichte von Auslandseinsätzen und Einsätzen im inneren Notstand. Letzteres buchstabiert die deutsche Verfassung akribisch aus, während die Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze erst durch das Bundesverfassungsgericht hergeleitet werden musste. Anders verhält es sich mit der polnischen Verfassungslage, die auf Grund des nicht örtlich beschränkten Art. 5 und dem Verweis auf einfachgesetzliche Grundlagen für den exterritorialen Einsatz in Art. 117 eine ausdrückliche Grundlage für Auslandseinsätze findet, aber im Bereich des Inlandseinsatz keine dem Grundgesetz vergleichbaren Regelungen trifft. Allerdings formt Art. 26 II als ausdrückliches politisches Einmischungsverbot für die Streitkräfte ein Misstrauen gegen den Inneneinsatz aus, der in Polen verfassungsgeschichtlich an jüngere Erfahrungen – der in seiner Bewertung umstrittene coup d'état von General Jaruzelski im Dezember 1981 – anknüpft.  Weiter zeigte sich in der starken Betonung des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts ein Unterschied zur polnischen Verfassungslage. Abschließend wurde sich noch über die Rechtsgrundlagen der jeweiligen Beistandsverpflichtungen innerhalb der EU und NATO ausgetauscht, bevor der erkenntnisreiche Tag bei einem gemeinsamen Abendessen am Institut für Kirchenrecht ausklang.

Samstags standen dann klassisch völkerrechtliche Themen wie das völkerrechtliche Gewaltverbot und dessen Durchbrechungen im Rahmen des Rechts auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung sowie die Institute des preemptive strike und der humanitarian intervention im Vordergrund. Im Laufe der kontroversen Diskussion wurden stets auch die Implikationen für den Ukraine-Krieg reflektiert. Dabei wurde deutlich, dass sich in deren Bewertung die unterschiedlichen nationalen Wahrnehmungen des Konflikts niederschlagen. Für Überraschung bei den polnischen Gästen sorgten auch die völkerrechtlichen Restriktionen der deutschen Sicherheitspolitik, die aus dem 2+4 Abkommen resultieren. Dessen weitere Bedeutung für die deutsch-polnischen Beziehungen stand aber außer Frage. Nach dem Mittagessen ging es zum Abschluss des Seminars für die Studierenden aus Polen und Deutschland zu einem gemeinsamen Ausflug in die Kölner Innenstadt, bei dem dann der persönliche Austausch im Mittelpunkt stand.