Mutual Recognition 2.0
Für die Verfolgung von Straftaten und die Vollstreckung von Strafurteilen hat die grenzüberschreitende Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dies gilt beispielsweise, wenn die verfolgte oder verurteilte Person sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit besitzt oder dort ihren Wohnsitz hat. In diesen und anderen Fällen kann die Unterstützung durch den betreffenden Mitgliedstaaten für die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten bzw. die Vollstreckung verhängter Sanktionen entscheidend sein. Den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten stehen dazu eine Reihe von Kooperationsinstrumenten zur Verfügung, die der Unionsgesetzgeber auf der Grundlage des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung geschaffen hat (z.B. Europäischer Haftbefehl, Europäi-sche Ermittlungsanordnung, gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung freiheitsentziehen-der Sanktionen, von Entscheidungen bei der Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen sowie Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft); diese werden durch völkerrechtliche Verträge ergänzt, soweit diese weiterhin zwischen den Mitgliedstaaten Anwendung finden (EU-Rechtshilfeübereinkommen, Europäisches Rechts-hilfeübereinkommen) und darin mögliche Alternativen zur Untersuchungshaft (Ladung des Beschuldigten, Übertragung der Strafverfolgung). Mit dem Forschungsvorhaben „Mutual Recognition Next Level (MR2.0)“ soll untersucht werden, ob und inwieweit diese Kooperations-instrumente in der Praxis effektiv und kohärent angewandt werden. Eine inkohärente Anwen-dung kann zu unverhältnismäßigen Eingriffen in die Grundrechte der betroffenen Person füh-ren, unnötige Kosten oder eine Verzögerung des Verfahrens verursachen, gegebenenfalls aber auch zur Straflosigkeit der verfolgten Person führen und dadurch das gegenseitige Vertrauen unter den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob und inwieweit eine Inhaftierung des Beschuldigten durch weniger eingriffsintensive Maßnahmen vermieden werden kann, zugleich aber eine effektive Strafverfolgung gewährleistet wird. Mit dem For-schungsvorhaben sollen zugleich mögliche Ursachen für eine inkohärente Anwendung der verfügbaren Kooperationsinstrumente ermittelt und Ansätze zu einer Lösung der betreffenden Probleme entwickelt werden.
Das Projekt wird von der Europäischen Kommission aus Mitteln der Europäischen Union (Justice Program – JUST-2022) gefördert und von dem Bezirksgericht (Rechtbank) Amsterdam koordiniert. An dem Projekt sind außer der Universität Bonn auch die Universitäten Maastricht (Niederlande), Lublin (Polen) und Burgos (Spanien) beteiligt. Das Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren (1. Juli 2023 – 30. Juni 2025).